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In Porz war jeder Tag ein Abenteuer

Unsere dreiteilige Serie über den aus der DDR freigekauften Falk Mrázek – und wie er danach 1979 nach Zündorf kam

Der damals 17-jährige Falk Mrázek aus Bischofswerda wollte die DDR verlassen – das brachte ihn ins Gefängnis, später über damalige Gefangenenfreikäufe der Bundesrepublik nach Köln – Unsere Serie in drei Teilen. Teil 3: Falk Mrázeks Ankunft in Zündorf

Stadtbezirk Porz / Chemnitz – „Es war ein bedeckter Tag. Aber für mich schien die Sonne“, erinnert sich Falk Mrázek. Gerade frisch von der Bundesrepublik aus Gefängnis in Chemnitz und Arbeitslager im Chemiekombinat in Bitterfeld freigekauft, saß er im Zug vom Bundesnotaufnahmelager in Gießen nach Köln.

„Als ich aus dem Hauptbahnhof kam und den Dom sah, da dachte ich: Ist das ein Traum?“ Sein Vater, Bruder und Onkel erwarten den jungen Mann am Bahnhof. Seine Mutter traf er in Zündorf wieder. Hier lebte Falk Mrázeks Onkel. Und so zog auch seine Familie nach dem inzwischen bewilligten Ausreiseantrag von Bischofswerda nach Zündorf. All das habe ihm viel Halt gegeben, erinnert sich Mrázek.

Nur sechs Wochen nach der Ankunft sei er Schüler des Lessing-Gymnasiums im Stadtteil gewesen. „Ich bin aus der DDR“, habe er damals dem Direktor der Schule gesagt, so Mrázek. Dieser habe unkompliziert geantwortet: „Das ist mir egal. Ich brauche nur deine Zeugnisse.“ Und die waren sehr gut. Sein neues Leben in Zündorf konnte starten.

„Das war eine schöne Zeit. Ich war in der Schule schnell integriert“, erinnert sich Mrázek, der heute auch des Jobs seiner Frau wegen im kanadischen Edmonton lebt. Auch eine Freundin habe er damals in der Schule gefunden, sagt Falk Mrázek. „Meine Schulliebe.“ Porz habe er sehr gemocht: „Porz ist eine schöne Ecke. Die Groov ist da. Die Linie 7. Ich hatte meine Freunde hauptsächlich in Ensen. Wir waren auch viel in der Innenstadt“, erinnert sich Falk Mrázek. Bis 1987 sei er in Köln gemeldet gewesen. Nach dem Wehrdienst bei der Luftwaffe in den Niederlanden („Das hatte man mir damals ermöglicht.“) zog er zum Studium nach Dortmund. Wie erhofft wurde er Journalist, arbeitete für Zeitungen, später war er TV-Redakteur beim WDR.

„Als ich nach Porz kam, war jeder Tag ein Abenteuer“, so Mrázek „Nach der Hölle des Arbeitslagers war ich frei in Porz.“ Über seine Erlebnisse hat er ein Buch geschrieben – erschienen ist es inzwischen in zweiter Auflage. In Bischofswerda und Dresden hat er Freunde, die er seit 50 Jahren kennt. In Chemnitz auf dem Kaßberg, seinem Gefängnis, aber war Falk Mrázek bis 2017 nicht mehr. Heute ist er Teil des dort eingerichteten Erinnerungsortes. Auch ein Foto, das ihn bei der Umarmung mit seiner Mutter nach der Ausreise zeigt, hängt dort in der ihm gewidmeten Zelle.

„Mir hat vor ein paar Jahren in Chemnitz eine 17-jährige Gymnasiastin mit Geschichte-Leistungskurs erzählt, sie habe von diesen Freikäufen gar nicht gewusst“, erzählt Falk Mrázek. „Der Stoff hört nach dem Nationalsozialmus auf. Mir ist wichtig, dass Menschen davon erfahren. Gar nicht nur meine persönliche Geschichte, sondern generell.“ Auch deshalb habe er das Buch geschrieben. „Man wacht nicht einfach von einem Tag auf den anderen auf und es gibt eine Diktatur. Es gibt Warnzeichen“, so Falk Mrázek.

„Dass ein Staat Menschen einsperrt, ist kein Zeichen von Stärke. Es ist eines von Schwäche. Alle Menschen sind nicht gleich, wie in der DDR gewollt. Wir sind nur vor dem gesetzt gleich. Aber sonst sind wir Individuen und wollen frei sein. Mir war klar: Ich habe nur eine einzige Chance zu leben. Das wollte ich mir nicht nehmen lassen.“

Falk Mrázeks Buch „Erwachsenwerden hinter Gittern: Als Teenager im DDR-Knast“ hat 200 Seiten und ist im Handel erhältlich. Der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz kann in der Kaßbergstraße 16c besucht werden. (Lars Göllnitz – der Autor bei Instagram: @enqoozee)

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