Arif Ünal, inzwischen pensionierter Leiter des sozialpsychischen Kompetenzzentrums vom LVR, wirft einen Blick aus fachlicher Sicht auf das Thema: “Migrationsgeschichte ist sehr komplex”, sagt er. Ein detaillierter Blick sei nötig. Auch die zweite und dritte Generation jener, die als Arbeitsmigranten einst nach Deutschland kamen, hätten teils mit der Geschichte zu kämpfen.
Etwa durch Zwangsstörungen nichts falsch machen zu wollen. Bindungsängste oder auch eine erhöhte Zahl an Scheidungen könne man feststellen. Das wirke sich wiederum auf die dritte Generation aus, erklärt Ünal, der selbst nach Deutschland immigrierte.
Zusammen mit Joanna Zingsheim, die als Kind aus Polen nach Deutschland kam, bildet er die Talkrunde. Eingeladen ins Bürgerzentrum Finkenberg hat Ina Philippsen-Schmidt. Ihr thematischer Aufhänger: Das unter anderem vom Literaturhaus Köln ausgerufene Buch für die Stadt. In diesem Jahr “Dschinns” von Fatma Aydemir.
Ein Roman über eine Familie, die dem Vater, der der Arbeit wegen in den 1970ern nach Deutschland kam, gefolgt ist. Dabei wollte dieser erst nur ein paar Jahre dort arbeiten und dann in die Heimat zurückkehren. Dann stirbt Vater Hüseyin und Mutter Emine ist plötzlich alleine. Ihre Kinder haben in Deutschland studiert oder sind hier geschieden, finanziell unabhängig vom Mann und Geschäftsfrau. Für Mutter Emine sei alles nur temporär gewesen, heißt es im Buch. Sie wollte sich daher nicht integrieren. Nach dem Tod ihres Mannes ist sie neidisch auf die Kinder und will sich sogar das Leben nehmen. Das sei nicht exemplarische für alle Frauen, so Arif Ünal auf Ina Philippsen-Schmidts Frage hin. Dennoch gebe es Probleme – auch psychisch. Der Titel des Buches “Dschinns” zielt auf diese Geiser der Vergangenheit ab.
In Polen sei die Rolle der Frau oftmals anders, erzählt indes Joanna Zingsheim. Vielfach sei sie die Verwalterin der Familie. Ihr selbst habe das kommunistisch Gedrillte sogar etwas geholfen beim nach Deutschland Kommen. In der vierten Klasse habe sie sich schnell eingefunden, und das ohne Deutschkenntnisse zuvor gehabt zu haben. “Polen ist sehr katholisch. Da gibt es etwas wie Aberglauben eher weniger”, sagt sie. Sie stelle fest, dass Menschen, die in ein anderes Land kämen, teilweise an den Werten der Heimat festhielten – auch dann, wenn sich das Land sogar weiterentwickle. Auch Arif Ünal sieht das ähnlich. Viele der nach Deutschland gekommen seien so eher konservativ, stellt er fest.
Um auch diese Gefühlswelten vielleicht etwas nachvollziehen zu können, helfe ein Blick ins Buch “Dschinns”, findet Ina Philippsen-Schmidt, die die Veranstaltung auch moderiert. Für die Besuchenden gibt es neben dem Talk auch gelesene Auszüge aus dem Buch und musikalische Einlagen. (Lars Göllnitz)